Mammographie

Im Jahr 2013 hat das Swiss Medical Board (SMB) seinen Bericht zum Mammographie Screening herausgegeben.

Modell A:

Im Ergebnis errechnet das SMB in seinem Grundmodell (Modell A), dass die Lebensqualität, ausgedrückt in Quality adjusted life years (QALY), durch das Screening gesenkt wird. Auf 10 000 untersuchte Frauen ergeben sich 129 647,175 QALY, während 10 000 Frauen ohne Screening 129 648,600 QALY erhalten. Pro Frau wird für das Screening 810 Fr aufgewendet, welche -0,00014250 verliert. Die Kosten pro QALY betragen somit 810 Fr / -0,00014250 QALY = -5 684 210,53 Fr. Dies bedeutet, dass 5.67 Mio. Franken aufgewendet werden, um den untersuchten Frauen mit einer Abnahme der Lebensqualität zu schaden. Selbstverständlich hat das SMB realisiert, dass diese Zahl absurd ist und hat sich folgendermassen beholfen:

Modell B:

Unter Verwendung einer Sensitivitätsanalyse behauptet nun das SMB, dass die Lebensqualität wie im Modell A durch 1 025 falsch positive Mammographien auch im Modell B um 10% sinkt, dies jedoch nur 2 Monate (Modell B) statt 6 Monate (Modell A). Damit ergeben sich für die 10 000 Frauen mit Screening 129 681,34 QALY und somit ein Gewinn an Lebensqualität von 32,74 QALY oder 0,00327417 QALY pro Frau mit dem Ergebnis von 247 391,19 Fr. / QALY. Mit diesem Ergebnis tritt das SMB an die Öffentlichkeit und destruiert die medizinischen Effekte des Screenings durch seine Kostenüberlegungen.

Modell C:

Modell C basiert auf dem sehr ungünstigen Modell A, neu wird aber angenommen, dass 1% der 10 000 Frauen, welche kein Mammographie-Screening erhalten, weil es nicht angeboten wird und weil sie es sich auch nicht leisten könnten, das selber zu bezahlen (untere Schichten, Präkarität), einen Verlust an Lebensqualität von 10% über 13 Jahre erleiden, weil sie in ständiger Angst vor Brustkrebs leiden. Im Ergebnis müssten dann Kosten von 62 998,25 Fr pro QALY aufgewendet werden.

Wert des Lebens

Das SMB berechnet, dass durch das Screening von 10 000 Frauen 16 Todesfälle durch Brustkrebs vermieden werden und das jede dieser 16 toten Frauen im Schnitt 18 Lebensjahre verloren hat. Damit ergeben sich 18 x 16 = 288 verlorene Lebensjahre. Der Wert dieser verlorenen Lebensjahre beträgt in den Berechnungen 0 Fr. Während also die Kosten für mehr Lebensqualität monetarisiert werden (Franken pro QALY), wird der Wert des Lebens nicht monetarisiert. Das ist erstens nicht konsequent und zweitens unterlässt das SMB solche Monetarisierungen (value of a statistical life: VSL) mit gutem Grund: das Mammographie Screening wäre mit einem Return On Investment (ROI) für die Gesellschaft verbunden. Mit dem Mammographie-Screening von 1 000 000 Frauen würden 1 600 Todesfälle zu Kosten von 810 000 000 (810 Mio) Fr über 6 Jahre vermieden, wodurch mit Monetarisierung des Lebens (VSLY) mit 200 000 Fr. pro verlorenem Lebensjahr ein ROI von 4 950 000 000 (4.95 Milliarden) Fr. resultiert und dieser ROI bleibt auch mit Diskontierung des VSL um 6% pro Jahr mit 2 772 277 102 (2.8 Milliarden) Fr. immer noch sehr hoch.

Sämtliche Kalkulationen sind als Excel Tabelle verfügbar.

Es erscheint unethisch, den Wert eines verlorenen Lebensjahres zu monetarisieren. Das QALY Modell des SMB arbeitet deshalb mit einem VSL von 0 Fr.  Doch genau deswegen erscheinen die Kosten des Mammographie Screenings als inakzeptabel. Wird ein verlorenes Lebensjahr monetarisiert, werden die Berechnungen als das entlarvt, was  sie sind: individualisierte Berechnungen losgelöst von der Gesellschaft. Ein VSL beinhaltet nämlich nicht nur den Wert eines Lebensjahres einer Frau, sondern  den gesellschaftlichen Wert dieser Frau für Familie, Arbeit und soziales Umfeld. Damit entwertet das SMB die Bedeutung und der Wert der Frau für die Gesellschaft.

Gemäss US Preventive Taskforce führt das Mammographie-Screening nicht zu einer Senkung der Gesamtmortalität. Der Nachweis einer Senkung der Gesamtmortalität mit Mammographie-Screening Studien ist nicht die Aufgabe dieser Studien: «Obwohl das Mammographie-Screening nachweislich zur Senkung der brustkrebsbedingten Sterblichkeit beiträgt, haben einige vorgeschlagen, dass der Nachweis der Wirksamkeit durch eine geringere Gesamtmortalität erbracht werden sollte. Anhand eines Mikrosimulationsmodells der Entwicklung, Erkennung und Behandlung von Brustkrebs lässt sich leicht zeigen, dass dies eine unrealistische Erwartung für Studien von praktischer Größe und Beobachtungsdauer ist, selbst wenn die Verringerung der Brustkrebssterblichkeit erheblich ist. Die Schätzungen der Gesamtmortalität hängen nicht nur von der Wirksamkeit der Screening-Maßnahme ab, sondern auch von der Angleichung der Altersverteilung des Effekts des Screenings auf die Verringerung der Todesfälle an die der anderen Haupttodesursachen. Der Umfang einer randomisierten Studie, die erforderlich ist, um eine Verringerung der Gesamtmortalität nachzuweisen, hängt daher von der Länge und dem Zeitpunkt des Beobachtungszeitraums ab und ist in der Regel mindestens zehnmal größer als eine Studie, die eine Verringerung der Todesfälle aufgrund von Brustkrebs nachweisen soll. Bei Brustkrebs, der nur einen kleinen Teil der Gesamttodesfälle ausmacht, ist die Gesamtmortalität weder ein praktisches noch ein aussagekräftiges Kriterium für die Bewertung der Wirksamkeit der Früherkennung.» Literatur.

Die relative Risikoreduktion des Mammographie-Screenings auf die Gesamtsterblichkeit beträgt zudem nicht 0% sondern 2% (link), dies bedeutet: es sterben insgesamt weniger Frauen, dies ist aber rein statistisch betrachtet nicht signifikant, wie vorher erwähnt, aus rein methodischen Gründen. Zudem blieb gemäss einer Studie nach Berücksichtigung aller Variablen die Screening-Mammographie mit einem geringeren Risiko für die Gesamtmortalität verbunden, mit einer Hazard Ratio von 0,67 (95% CI, 0,60-0,74). Wenn Frauen an anderen Ursachen versterben, kann dies nicht dem Präventionsprogramm angelastet werden sondern dem Versagen der Prävention und Verhinderung der anderen Todesursachen. Erst in der Summe sämtlicher effektiver Präventionsmöglichkeiten ergibt sich eine Senkung der Gesamtmortalität. Die US Preventive Taskforce unterstützt in den Guidelines 2023 auch das Mammographie Screening von Frauen zwischen 40-49 Jahren (bisher ab 50 Jahren). Ein Grund dafür ist die reduzierte Gesamtsterblichkeit in dieser Altersgruppe, wie eine Studie 2022 zeigte. Im Jahr 2012 betrug die Zahl der Todesfälle durch Brustkrebs 783 000 verlorene verlorene potenzielle Lebensjahre und durchschnittlich 19 Lebensjahre pro Todesfall, obwohl die Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs seit 1990 stetig zurückgegangen ist.