QALY und VEMS

Der Verein Ethik und Medizin Schweiz befasst sich schon seit über 10 Jahren mit der QALY Problematik und die Einbindung von QALY in den Prozess von Health Technology Assessments (HTA). Wir haben dazu auch einen Artikel in der Schweizerischen Aerztezeitung bereits 2013 publiziert und auch pointierte Fragen zum Medical Board und seiner Methodik in einem Beitrag auf Medinside publiziert. Im Jahr 2014 haben wir ein Grundlagenpapier zu «Rationierung, QALY und mathematische Maschinerie» publiziert.

  • Die Verwendung von QALYs zur Messung der Kosteneffizienz medizinischer Interventionen ist kritisiert worden, weil sie den sozialen oder indirekten Wert einer medizinischen Intervention nicht vollständig erfasst.
  • Der soziale oder indirekte Wert bezieht sich auf den Nutzen einer medizinischen Intervention, der über den einzelnen Patienten hinausgeht, z. B. die Auswirkungen auf die Familie des Patienten oder die Gesellschaft als Ganzes.
  • Es gibt alternative Methoden zu QALYs, die diese sozialen oder indirekten Werte einzubeziehen. So wird beispielsweise im Rahmen des SROI-Konzepts (Social Return on Investment) versucht, den sozialen Wert eines medizinischen Eingriffs zu messen, indem die weiterreichenden Auswirkungen auf die Gesellschaft betrachtet werden, wie z. B. erhöhte Produktivität, geringere Gesundheitskosten und verbesserte Lebensqualität für Familienmitglieder oder Pflegepersonal.
  • Es ist vollständig klar, dass solche Aspekte eine hohe gesellschaftliche Bedeutung haben. Einige der bioethischen Institute in der Schweiz sind beispielsweise das Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte an der Universität Zürich, das Institut für Biomedizinische Ethik und Medizinische Geschichte an der Universität Basel und das Zentrum für Bioethik an der Universität Basel. Einige Institute befürworten die Verwendung von QALYs als nützliches Instrument zur Bewertung der Kosten-Effektivität von medizinischen Interventionen, während andere kritischer sind und Bedenken hinsichtlich der ethischen Implikationen von QALYs haben.

Eine klare Positionierung bleiben diese Institute im Gegensatz zum VEMS schuldig, der eingehende Analysen und wissenschaftliche Publikationen dazu veröffentlicht hat.

Auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften befürwortet prinzipiell eine Rationierung im Gesundheitswesen:

Die SAMW, Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, hat verschiedene Richtlinien und Empfehlungen in Bezug auf die Rationierung in der Medizin veröffentlicht. Grundsätzlich betrachtet die SAMW Rationierung als eine unvermeidbare Konsequenz begrenzter Ressourcen in der Gesundheitsversorgung und empfiehlt eine faire und transparente Verteilung von begrenzten Ressourcen, um die bestmögliche Versorgung für alle Patienten zu gewährleisten. Wie wir in unseren Papieren erarbeitet haben, hat die SAMW in ihren Empfehlungen seit 2006 betont, dass Rationierung im Gesundheitswesen auf der Grundlage von Kriterien wie medizinischer Notwendigkeit, klinischer Wirksamkeit, Effizienz und Gerechtigkeit erfolgen sollte. Die Akademie betont jedoch auch, dass die Entscheidungen über die Rationierung von Ressourcen im Gesundheitswesen eine ethische Herausforderung darstellen und in einer Weise getroffen werden sollten, die die Würde und Autonomie von Patienten respektiert.

  • Die SAMW unterstützt auch die Idee einer partizipativen Entscheidungsfindung und einer offenen Kommunikation zwischen Gesundheitsdienstleistern, Patienten und der breiteren Öffentlichkeit über die Rationierung von Ressourcen im Gesundheitswesen. Die Akademie hat betont, dass es wichtig ist, die verschiedenen Perspektiven und Bedürfnisse der betroffenen Parteien zu berücksichtigen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die die bestmögliche Versorgung für alle gewährleisten.
  • Insgesamt bekräftigt die SAMW, dass Rationierung im Gesundheitswesen eine komplexe ethische Herausforderung darstellt, aber auch notwendig ist, um die bestmögliche Versorgung für alle Patienten zu gewährleisten. Es ist wichtig, Rationierungsentscheidungen transparent und gerecht zu gestalten und die betroffenen Parteien aktiv in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.
  • Die SAMW befürwortet die Verwendung von QALYs (Quality-adjusted Life Years) als eine von mehreren Methoden zur Bewertung der Wirksamkeit und Effektivität von Gesundheitstechnologien und Behandlungen. In ihren Empfehlungen betont die SAMW, dass die Verwendung von QALYs sinnvoll sein kann, um Entscheidungen über die Ressourcenallokation in der Gesundheitsversorgung zu treffen, solange diese Methode ethisch und methodisch angemessen angewendet wird.
  • Die SAMW hat jedoch auch betont, dass QALYs nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen sollten, sondern als ein Instrument zur Unterstützung fundierter Entscheidungen in der Gesundheitsversorgung. Es ist wichtig, die Verwendung von QALYs in einem breiteren ethischen und gesellschaftlichen Kontext zu betrachten und die Auswirkungen auf verschiedene Gruppen von Patienten und die Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen.
  • Die SAMW hat auch empfohlen, dass die Verwendung von QALYs auf nationaler Ebene in der Schweiz durch einen gemeinsamen Entscheidungsprozess zwischen Regierungsbehörden, Patientenorganisationen, Fachgesellschaften und anderen Interessengruppen gesteuert werden sollte, um sicherzustellen, dass die Verwendung von QALYs ethisch und methodisch angemessen ist und die Bedürfnisse der Patienten und der Gesellschaft als Ganzes berücksichtigt werden.
  • Die SAMW hat in ihren Publikationen und Empfehlungen die ethischen Prinzipien betont, die der Utilitarismus hervorgehoben hat, wie zum Beispiel den Grundsatz der Nützlichkeit oder des größten Nutzens. Die SAMW hat jedoch auch betont, dass Utilitarismus als alleinige ethische Grundlage nicht ausreicht, um komplexe ethische Entscheidungen in der Medizin zu treffen.
  • Die SAMW betont, dass ethische Entscheidungen in der Medizin auf einem breiteren Rahmen von ethischen Prinzipien basieren sollten, wie zum Beispiel der Respekt vor der Autonomie des Patienten, der Nicht-Schädigung, der Gerechtigkeit und der Fürsorge. Die Verwendung von Utilitarismus als ein ethisches Prinzip kann in einigen Situationen nützlich sein, um Entscheidungen zu treffen, aber es sollte nicht als alleiniges oder vorherrschendes Prinzip verwendet werden.
  • Insgesamt kann man sagen, dass die SAMW ein differenziertes Verhältnis zum Utilitarismus hat und es nicht als alleiniges oder vorherrschendes ethisches Prinzip betrachtet, sondern als ein Instrument, das in bestimmten Kontexten nützlich sein kann.

Die Haltung der Schweizerischen Behörden zu QALY

  • In der Schweiz gibt es keine einheitliche Haltung der Gesundheitsbehörden gegenüber QALYs (Quality-adjusted Life Years). Einige Schweizer Gesundheitsbehörden haben QALYs als nützliche Methode zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und Behandlungen akzeptiert, während andere skeptischer sind und befürchten, dass QALYs unfaire Ergebnisse produzieren können.
  • Die Swiss Agency for Therapeutic Products (Swissmedic) hat die Verwendung von QALYs bei der Bewertung von Arzneimitteln empfohlen und hält diese Methode für nützlich, um die Wirksamkeit und den Nutzen von Arzneimitteln im Vergleich zu den Kosten zu bewerten. Die Swissmedic betont jedoch auch, dass QALYs nur als eine von mehreren Bewertungsmethoden verwendet werden sollten und dass andere Faktoren, wie beispielsweise die klinische Wirksamkeit, ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
  • Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Verwendung von QALYs bisher nicht ausdrücklich empfohlen oder abgelehnt. Das BAG hat jedoch betont, dass die Entscheidungen über die Ressourcenallokation im Gesundheitswesen auf der Grundlage von Kriterien wie medizinischer Notwendigkeit, klinischer Wirksamkeit, Effizienz und Gerechtigkeit getroffen werden sollten. Das BAG betont auch, dass es wichtig ist, die Bedürfnisse und Interessen der Patienten und der Gesellschaft insgesamt zu berücksichtigen.
  • Insgesamt ist das Verhältnis der schweizerischen Gesundheitsbehörden zu QALYs gemischt und es gibt keine einheitliche Haltung. Die Verwendung von QALYs als Methode zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und Behandlungen wird jedoch von einigen Behörden akzeptiert und als nützlich betrachtet, solange diese Methode ethisch und methodisch angemessen angewendet wird.

Haltung der FMH gegenüber QALY

  • Die FMH (Federation of Swiss Medical Associations) hat keine offizielle Haltung zu QALY (Quality Adjusted Life Years). Es gibt keine spezifischen Richtlinien der FMH zu diesem Thema.

Weitere Institutionen und deren Verhältnis zu QALY

  • Die schweizerischen Public Health Institute haben unterschiedliche Ansichten zum Thema QALY (Quality-adjusted Life Years). Einige Institute befürworten die Verwendung von QALYs als Instrument zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und medizinischen Interventionen, während andere skeptisch gegenüber dieser Methode sind.
  • Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) hat QALYs als eine nützliche Methode zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und Interventionen anerkannt. Das Swiss TPH betont jedoch, dass QALYs nur als eine von mehreren Bewertungsmethoden verwendet werden sollten und dass andere Faktoren, wie beispielsweise die klinische Wirksamkeit und die soziale Akzeptanz, ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
  • Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) hat QALYs als Instrument zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und Interventionen genutzt und betont, dass diese Methode nützlich sein kann, um den Nutzen von medizinischen Interventionen im Verhältnis zu den Kosten zu bewerten. Obsan betont jedoch auch, dass QALYs nicht als alleiniges Instrument zur Entscheidungsfindung verwendet werden sollten und dass andere ethische und soziale Faktoren ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
  • Insgesamt ist das Verhältnis der schweizerischen Public Health Institute zu QALYs gemischt und es gibt keine einheitliche Haltung. Die Verwendung von QALYs als Methode zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und Interventionen wird jedoch von einigen Instituten akzeptiert und als nützlich betrachtet, solange diese Methode ethisch und methodisch angemessen angewendet wird. Andere Institute sind jedoch skeptischer und betonen, dass andere Faktoren ebenfalls berücksichtigt werden müssen, um komplexe ethische und soziale Fragen zu berücksichtigen.

Weitere Publikationen des VEMS zu diesen Fragen:

  • Positionspapier zum Positionspapier «Medizin und Ökonomie – wie weiter?» Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften hat im Herbst 2014 ein Positionspapier «Medizin und Ökonomie – wie weiter?» herausgebracht. Darin werden Begriffe der Ökonomie in einer neuen Weise in die Medizin eingeführt. Der VEMS bezieht Stellung dazu. Erstellungsdatum: Januar 2015, Papier herunterladen
  • VEMS-Charta Ethik und Medizin: Das Paradigma, dass mehr Wettbewerb die Effizienz im Gesundheitswesen verbessert und damit die Kosten dämpft, hält sich hartnäckig. Entgegen jeder Evidenz. Erstellungsdatum: Februar 2014, Papier herunterladen.
  • Positionspapier zum Positionspapier «Medizin und Ökonomie – wie weiter?» Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften hat im Herbst 2014 ein Positionspapier «Medizin und Ökonomie – wie weiter?» herausgebracht. Darin werden Begriffe der Ökonomie in einer neuen Weise in die Medizin eingeführt. Der VEMS bezieht Stellung dazu. Erstellungsdatum: Januar 2015, Papier herunterladen.
  • Positionspapier verdeckte Rationierung. Kaum jemand gibt es zu, doch im Schweizer Gesundheitswesen wird schon seit einiger Zeit rationiert. Wie und wo dies geschieht, zeigt unser Positionspapier. Erstellungsdatum: Juni 2015, Papier herunterladen.
  • Positionspapier zum Utilitarismus im Gesundheitswesen. Auf den ersten Blick erscheint der Utilitarismus mit seiner Handlungsmaxime des grössten Wohls für die grösste Zahl gerecht. Im Gesundheitswesen schafft er aber Ungerechtigkeit und die Diskriminierung von Patienten. Erstellungsdatum: Mai 2016, Papier herunterladen.
  • Vorschlag zur Lösung des Problems der Arzneimittel-Wucherpreise. Das Problem der steigenden Medikamentenpreise belastet unser Gesundheitswesen. Wir haben mit dem PeP-Konzept eine Alternative zur derzeitigen Preisbildung und zeigen an zwei aktuellen Beispielen, wie dies konkret aussehen könnte. Erstellungsdatum: Mai 2017, Papier herunterladen.
  • Von Hippokrates zur Medizinischen Bioethik – eine Analyse der Beziehung Medizin-Ethik-Ökonomie. Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, welche zentrale Rolle Zahlen bei gesundheitsrelevanten Entscheidungen spielen. Ebenfalls gezeigt hat sich, welche Virtuosität manche rechnenden Geister an den Tag legen können, um sie sich so zurechtzubiegen, dass die Resultate ihren Präferenzen zudienen. Der VEMS beobachtet dies seit nunmehr 15 Jahren, rechnet nach, deckt Fehler auf, sucht das Gespräch mit den Autorinnen und Autoren und informiert gegebenenfalls die Öffentlichkeit. Im Gesundheitswesen können Zahlen über Behandlung oder Nichtbehandlung entscheiden, über Gesundheit oder Krankheit, Leben oder Tod. Hier ist Mathematik deshalb auch eine Aufgabe der Ethik. Erstellungsdatum: April 2021, Papier herunterladen.

Ferner haben wir die Problematik zwischen Gesundheitswesen und Ökonomie in diversen Fact Sheets aufgearbeitet:

Unsere Factsheets liefern Fakten gegen Behauptungen. Auf jeweils einem Blatt zusammengefasst finden Sie hier Antworten auf die wichtigsten Fragen des Gesundheitswesens, gegliedert in die Schwerpunktthemen Ökonomie, Ethik und Wissenschaft.

Ökonomie

Weshalb wird unser Gesundheitswesen bei immer mehr Ökonomie immer ineffizienter?
Welche Folgen hat der Übergriff der Ökonomie auf den medizinischen Zweckmässigkeitsbegriff?
Motivieren die Anreize im Schweizer Gesundheitswesen tatsächlich kostensenkendes Handeln?
Weshalb die Fallpauschalen Spitälern die falschen Anreize setzen?
Sind Hausarztmodelle tatsächlich kostensparend?
Weshalb verschlechtern die BAG-Indikatoren das Preis-Leistungs-Verhältnis?
Welche Rolle spielt der Utilitarismus im Schweizer Gesundheitswesen?
Was ist pessimistische Medizin und welche ethischen und volkswirtschaftlichen Probleme schafft sie?

Ethik

Weshalb wird unser Gesundheitswesen bei immer mehr Ethik immer amoralischer?
Wo wird in unserem Gesundheitswesen von wem rationiert und wie?
Was ist das QALY-Konzept und was sind seine ethischen Probleme?
Was sind HTAs und weshalb haben sie in der Schweiz eine destruktive Wirkung?
Welche Vereinbarungen gehen Ärzte mit Krankenkassen hinter dem Rücken der Patienten ein?
Wie bestimmen Politik und Behörden immer mehr, was gesund ist und was krank?
Wie und mit welchen Folgen wird die Beziehung des Patienten zum Arzt gestört?
Weshalb ist die Rückbesinnung auf ärztliches Berufsethos das einzige ethisch vertretbare Konzept?

Wissenschaft

Weshalb wird unser Gesundheitswesen bei immer mehr Wissenschaft immer unwissenschaftlicher?
Was ist eine Janusstudie und welcher Schaden wird damit angerichtet?
Welche Gefahren birgt das Anhäufen grosser Datenmengen für das Gesundheitswesen?
Weshalb sind die WZW-Verfahren ein gefährlicher und teurer Irrtum?
Welche Gutachten belegen, dass das WZW-Verfahren unsachgemäss und kontraproduktiv ist
Wie müssten die WZW-Verfahren ausgestaltet sein, um tatsächlich Kosteneinsparungen zu bewirken?
Wie sind die schwarzen Schafe unter den Ärzten tatsächlich zu identifizieren?
Welche wissenschaftlichen Fehler enthalten die HTA-Berichte des SMB?
Wie wird in der Schweiz der Alterssuizid gefördert und die Palliativmedizin abgebaut?